1. Pressebericht von Korvettenkapitän (Ing.) Tackenberg  

 

Ein Kreuzer fährt für Deutschland

Ausbildungsreise des Kreuzers „Karlsruhe“ 1934 – 1935

 

Unermüdlich mahlen die Schrauben das leuchtend blaue Wasser des Atlantischen Ozeans.  Mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit von 14 Seemeilen in der Stunde zieht der Kreuzer seinen einsamen Weg auf Kurs 197 Grad nach Süden seinem nächsten Hafen Rio de Janeiro zu. Von Zeit zu Zeit tauchen aus dem Dunst des westlichen Horizonts einige Erhebungen der Ostküste Brasiliens auf und sind bald darauf wieder von dem Glanz der glutenden Sonne verschluckt.

Die Besatzung macht divisionsweise Dienst auf den Gefechtsstationen, aus Offizierskammern und Schreibstuben tackern die Mercedes- oder Ericamaschinen, die Thermometersäulen stehen je nach Schiffsräumen wie seit Tagen auf dem Strichen zwischen 80 und 52 Grad Celsius und wo ein paar Männer einmal einige Minuten des Ausspannens erwischen, dreht sich das Gespräch um die Linientaufe, die sie vorgestern mit Neptuns und seines Gefolges nachdrücklicher Hilfe überstanden haben. Sein Berlinertum und seine Meinung über Taufbecken und Windschlauch zugleich kundtuend, fasst der Schiffsarzt die Angelegenheit zusammen in den Worten: ,,Dat war nich scheen!´´

Und doch war’s schön. Mit Spannung warten jetzt die vom Schmutz der nördlichen Halbkugel gereinigten auf den vom Meeresgott eigenhändig unterschriebenen Taufschein, der ihnen Schutz und Hilfe der Tritonen und der anderen Bewohner des Kristallpalastes für alle künftigen Fährschiffe ihres Seemannslebens zusichert.

Bei den Azoren

Der viertätige Aufenthalt des Kreuzers in Rio des Janeiro ist unter Änderung des ursprünglichen Reiseplans nachträglich vom Chef der Marineleitung verfügt worden, um den Wünschen der vielen in Brasilien lebenden Deutschen zu entsprechen. Diese zweitgrößte Stadt Südamerikas wird wahrscheinlich erheblich höhere Ansprüche an die Besatzung stellen, da es die beiden bisher von uns angelaufenen Häfen Ponta Delegada und Port of Spain getan haben.

Der erste ist zugleich Hauptstadt der Insel Sao Miguel, welche mit acht anderen größeren Inseln und einigen Klippen die Azorengruppe bildet. Diese ist schon den Phöniziern bekannt gewesen, war dann lange Zeit vergessen und wurde erst 1431 wieder entdeckt durch den Portugiesen Gonzales Belho Cabral, dessen Begleiter ihr wegen der vielen dort horstenden Habichte den Namen Acores (Habichtsinseln) gaben.

Sie sind gebirgig bis zu 2320 Metern,  durch tiefe Schluchten zerrissen und ihr durchaus vulkanischer Ursprung äußert sich heute noch häufig in heftigen, zum Teil unterseeischen Erdbeben.

Die Azoren haben infolge ihrer subtropischen Lage und des Einflusses, den der Golfstrom ausübt, ein gleichmäßig mildes, gesundes, aber oft recht stürmisches Ozeanklima, in dem Frühgemüse und Bananen ausgezeichnet gedeihen. Ein bedeutender Teil der Ausfuhr wird durch die Früchte des Ananas bestritten, die in Glashäusern gezogen werden.

Das Land befindet sich überwiegend in den Händen weniger Großgrundbesitzer, welche es an Kleinbauern verpachten. Tiefes Feudalsystem ist in der Bodenbewirtschaftung verblieben aus den Zeiten der ersten Ansiedler, die als flämische Edelleute unter Isabella von Burgund auf die Inseln kamen.

Die 1700 Kilometer von Portugal entfernt auf einem Viertel des Weges nach Nordamerika liegenden Azoren haben eine große strategische Bedeutung und waren während des Weltkrieges Stützpunkt  der amerikanischen Kriegsschiffe. In Zukunft werden die Inseln noch eine bedeutende Rolle in dem von der Deutschen Lufthansa und von anderen Luftfahrtgesellschaften geplanten Flugverkehr zwischen Europa und Nordamerika spielen.

Von den Bewohnern dieser gastlichen Eilande, welche die berühmten Azorenhochs unserer abendlichen Rundfunkwetterberichte herstellen, sind wir in jeder Hinsicht nett und zuvorkommend aufgenommen worden, während wir ihnen mit unserem Besuch eine freundliche Abwechslung in ihr sonst ziemlich einförmiges Dasein brachten.

Gedenken an die erste Karlsruhe

Die mit Gefechts- und Divisionsdienst reichlich ausgefüllten Tage der Reise über den weiten Atlantischen Ozean bis zur Nordostküste Südamerikas rollten in militärischem Gleichmaß an. Ein ganz besonderes Ereignis jedoch brachte einige hundert Seemeilen vor Trinidad der 14. November, an dem der Kommandant mit der ganzen in Divisionen angetretenen Besatzung eine erhebende Gedenkfeier für unsere erste ,,Karlsruhe´´ und ihre im Weltkriege gefallenen Soldaten abhielt.

Da es der ,,Karlsruhe‘‘ nicht beschert war, wie die ,,Emden‘‘ ihren Untergang im Gefecht mit feindlichen Streitkräften zu finden, ist der Name im deutschen Volk weniger bekannt als der dieser anderen Vertreterin des klassischen Kreuzerkrieges. Mit Unrecht, denn beider Taten stehen ebenbürtig nebeneinander und ihre Gesamterfolge erreichten ungefähr die gleiche Höhe. In der Zeit vom Kriegsausbruch bis zum 26. Oktober 1914 versenkte die ,,Karlsruhe‘‘ in süd- und mittelamerikanischen Gewässern 14 feindliche Dampfer und verwendete drei weitere als Hilfsschiffe für ihre eigenen Nachschubzwecke. Der von ihr vernichtete Schiffsraum betrug rund 77000 Bruttoregistertonnen.

Mitten n seiner so erfolgreichen Tätigkeit erlitt der Kreuzer am 4. November 194 ein eigenartig tragisches Geschick, als er gegen 18.30 Uhr, gefolgt von seinen Begleitdampfern ,,Rio Negro‘‘ und ,,Indrani‘‘ mit nordwestlichen Kurs einem neuen Kriegsgebiet zustrebte.

In der gleichen Stelle des Ozeans, an der wir jetzt unseren Kameraden des Schwesterschiffes die Gedenkfeier hielten, fand vor zwanzig Jahren auf ihm eine heftige Explosion unbekannter Ursache statt, der noch mehrere schwächere Detonationen folgten. In der Höhe der Kommandobrücke, so berichtet das amtliche Seekriegswerk, schlug eine schwarze Qualmwolke, gefolgt von einer hohen Feuersäule aus dem Deck. Das ganze Vorschiff wurde  angerissen und versank nach Backbord abbrechend nach kurzer Zeit. Mit ihm gingen der Kommandant, Fregattenkapitän Erich Köhler, der Wachhabende Offizier und 261 Unteroffiziere und Mannschaften in die Tiefe. Der Rest der Besatzung konnte dank der Anwesenheit der beiden Begleitschiffe gerettet werden. Kurz nach dem Absetzen des letzten Bootes schoss 27 Minuten nach der Explosion auch das Hinterschiff der ,,Karlsruhe‘‘ vor den Augen der Überlebenden in die Tiefe und versank auf etwa 4000 Metern Wasser.

Sa hinunter senken wir unseren toten Kameraden nach der begeisternden Ansprache unsere Kommandanten unter den Klängen des Liedes ,,Ich hab‘ mich ergeben" ein großes Eisernes Kreuz mit einem Lorbeerkranz nach und gedachten einige Minuten in ehrfürchtiger Stille der Schläfer, die dort unten von ihren Taten ausruhen.

Die scharfen Klänge des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes rufen uns, deren Blick vom Wasser auf die im Topp wehende alte Kriegsflagge gewandert ist in die Gegenwart und zu unseren eigenen Aufgaben zurück. Seefahrt ist not.

Einen Tag später nimmt die Stadt Port of Spain die dritte ,,Karlsruhe‘‘ freundlich auf und zeigt ihren Soldaten mit dem westindischen Pflanzenwuchs und dem interessanten Leben und Treiben ihrer sehr vielfarbigen Bevölkerung das typische Bild einer blühenden Kolonie des englischen Weltreichs.

Eine Besonderheit der Insel Trinidad, deren Hauptstadt mit 62 000 Einwohnern unser Hafen Port of Spain ist, bildet der berühmte Pitch Lake, ein See, der aus Sand und Asphalt besteht, und aus dem man den Baustoff für Straßendecken untermittelbar entnimmt. Schade, dass wir so etwas nicht bei uns zu Hause für die Reichsautobahnen haben.


2. Pressebericht von Korvettenkapitän (Ing.) Tackenberg

Die Estados Unides de Brasil sind mit rd. 8,5 Mill. Quadratkilometern eines der größten Reiche der Erde.  Das Land bedeckt eine Fläche wie Europa und bildet den größten Staat Südamerikas. Da es sich von 5 Grad Nord über den Äquator bis etwa 85 Grad Süd erstreckt,  ist es verständlich, dass sich in ihm Staaten und Provinzen mit stärksten klimatischen Gegensätzen befinden.

Die rund 400 Jahre umfassende neuere Geschichte Brasiliens ist ziemlich bewegt. Die zu jener Zeit in Verbindung mit den Ereignissen in den nordamerikanischen Staaten dringend gewordene Sklavenfrage löste Brasilien dahin, dass zunächst den neugeborenen Sklavenkindern die Freizeit verliehen und 1888  die Sklaverei  ganz abgeschafft wurde. Da den Pflanzern keine angemessene Entschädigung für diese Befreiung ihrer Sklaven gegeben wurde, entstand aus den sich dadurch entwickelnden landwirtschaftlichen Schwierigkeiten eine schwere Missstimmung gegen die Regierung,  die zum Sturze des Kaisers und zum Ausrufen der Republik  führte.

Interesse für Deutschland

Rassisch bietet die Bevölkerung Brasiliens ein außerordentlich buntes Bild, in dem sich Kreolen, d.h. im Lande geborene Weiße aus romanischen Ländern, Mestizen, Mulatten, Zambos und ihre Grundvölker bereinigen mit den vielen Europäerarten, die in das Land eingewandert sind. Die unmittelbaren Nachkommen der Portugiesen nennen sich ,,Lusobrasilianer“.

Wirtschaftlich ist Brasilien ein ungeheuer reiches Land mit den Möglichkeiten einer großen Zukunft. Einen Anhalt dafür gibt die Tatsache, dass hier 8 bis 4 Menschen auf einer Fläche wohnen, die in Deutschland 130 ernähren muss. Zwei Drittel der Welternte an Kaffee werden in Brasilien angebaut und wenn es auch eine Riesenausführ an Kakao, Kautschuk,  Baumwolle, Zucker, Tabak, Mate,  Hölzern, Häuten, Edelsteinen und Fellen hat, so ist doch nicht abzusehen, bis zu welchen Ausmaßen sich die Wirtschaft dieses Landes bei genügender Besiedlung entwickeln ließe.

Die neueste politische Entwicklung hat im Oktober 1930 nach erfolgreicher Revolution der Südstaaten die Regierung Setulie Vargas ans Ruder gebracht, die bis Mitte 1934 diktatorisch regierte, am 16. Juli die neue Verfassung in Kraft setzte und seitdem von Vargas als verfassungsmäßiger Präsidenten weitergeführt wird. In das neue Kabinett wurden aus den früheren Regierungsmitgliedern nur der Kriegs- und der Marineminister wiedergewählt. Wir hatten einige Male Gelegenheit, mit dem Kriegsminister zu sprechen und dabei sein großes Interesse für Deutschland und seine Angelegenheiten feststellen zu können. Nach den Aussagen in Rio ansässiger Deutscher wirkt es sich praktisch dahin aus, dass recht umfangreiche Aufträge für unsere Industrie nach der Heimat vergeben werden.

Über unsere deutschen Landsleute in und um Rio de Janeiro ist einiges zu sagen.  Eine  hocherfreuliche Feststellung will ich dabei voranstellen: Der Zusammenhalt und die Geschlossenheit der in Rio de Janeiro lebenden Reichsdeutschen und Deutschstämmigen sind vorbildlich. Wir haben das bei jedem Zusammensein mit ihnen und vor allem  bei den vielen großen Veranstaltungen, die ihrer Zahl nach beinahe über unsere sonst nicht geringe Leistungsfähigkeit gingen, immer wieder bestätigt gefunden. Wir haben daraus aber auch ersehen, wie eine geschickte und von der Heimat aus geschulte Führung solch große Gruppen des Auslandsdeutschtums zu gewichtigen und für unsere staatlichen Interessen unendlich wertvollen Blöcken zusammenschweißen kann.

Wie ich eben sagte, haben die etwa 15 000 in Rio und Umgebung lebenden Deutschen die knappen vier Tage unseres Aufenthaltes weidlich ausgenutzt, mit der Kreuzerbesatzung zusammen zu sein, wann und wo es nur immer möglich war. Die Begrüßungsfeier des ersten Abends musste beispielsweise geteilt werden, dass wie in vier verschiedenen Gast- und Clubhäusern von unseren Landsleuten empfangen wurden. Eine hochwillkommene Verstärkung fanden dabei die ,,Karlsruhe‘‘- Abordnungen durch Besatzungsteile des Schulschiffes ,,Deutschland‘‘, das aus seiner Ausbildungsreise kurz vor uns in Rio festgemacht hatte. Seine wie unsere Männer machten den stärksten Eindruck auf die Brasilianer vor allem immer durch ihre großen Gestalten, das überwiegende Blondhaar und ihr ruhiges, selbstbewusstes Auftreten, Eigenschaften, welche die quecksilbrig  dunkelhaarigen Südländern stets besonders beeindruckten. 

Rio de Janeiro

Über das Stadt- und Landschaftsbild Rios etwas schreiben zu wollen, wäre ein undankbares Unterfangen bei der Vielzahl  bestberufener Federn, die solche Schilderungen seit  langem zu Papier gebracht haben. Kein Wort ist zu überschwänglich, die Schönheit der Stadt zu beschreiben.

Wenn auch während der ersten Tage unseres Aufenthalts der berühmte Zuckerhut  und  der Corvovado  ständig durch Regenwolken und starken Dunst unseren Blicken entzogen waren, so wurden wir in der abendlichen Stunde des Auslaufens durch ein Bild entschädigt, dass Rio seinen Ruf als eine der schönsten Städte der Welt verschafft hat und das sicher niemand von uns jemals vergessen wird:  Unter den zartesten Pastellfarben, die die untergehende Sonne auf die Kuppen der hinter  Rio liegenden Hügel und auf die über dem Rand schwebenden Wolken malt, hüllt sich die Landschaft allmählich in Dämmer und sanftes Dunkel. Plötzlich entflammen an den Ufern der meilenlangen Meeresbuchten und die Hügel hinauf  Millionen von schimmernden Lichtern. Wie von Zauberhand hingeworfen bleiben sie liegen und erstrahlen mit dem über der Stadt schwebenden Opallicht zu einer Hymne an die Schöpfung, die der Brasilianer bewusst gekrönt hat durch eine Nachts hell beleuchtete Christusfigur, die auf der Spitze des Corvovado aus der Ferne gesehen als segnendes Kreuz die Stadt beschirmt.